Bild: Prof. Dr. Thorsten Merl / Julia Franken
Prof. Dr. Thorsten Merl hat zum 1. Dezember 2024 die Professur für Förderpädagogik im Schwerpunkt Lernen unter besonderer Berücksichtigung inklusiver Bildungsprozesse übernommen.
Die Sonderpädagogik im Schwerpunkt Lernen widmet sich den pädagogischen Anforderungen, die aus Beeinträchtigungen des Lernens entstehen. Lernen kann durch verschiedenste Einflüsse erschwert werden, von besonderer Bedeutung sind aber prekäre Lebenslagen, zum Beispiel Armut, beengte Wohn- und unsichere Lebensverhältnisse, Erfahrungen von Gewalt, Vernachlässigung und Geringschätzung.

Prof. Dr. Thorsten Merl. Bild: Prof. Dr. Thorsten Merl / Julia Franken

In solchen Lebenslagen können Schüler*innen Erfahrungen machen, die dazu führen, dass ihre Voraussetzungen, also ihr Vorwissen und Können, ihre Interessen, Motivation oder auch ihre Aufmerksamkeit das Lernen stark oder gar weitestgehend verhindern und kaum zu den schulischen Anforderungen passen.

Folglich kann auch die Schule selbst an der Beeinträchtigung des Lernens beteiligt sein, da beispielsweise schulische Lernangebote für einzelne Schüler*innen nicht anschlussfähig sind. Die Sonderpädagogik im Schwerpunkt Lernen substituiert entsprechend die ungenügende pädagogische Passung der Regelschulen, indem sie individuelle Lernausgangslagen feststellt, eine individuelle Förderung plant und durchführt und nicht zuletzt die Erziehungsberechtigten berät.

Die in der Professur angelegte besondere Berücksichtigung schulischer Inklusion drückt dabei nicht nur aus, dass die Förderung an Regelschulen stattfinden kann, sondern zeigt auch an, dass Sonderpädagog*innen die Lehrkräfte der Regelschulen beraten, sie schulen und in ihrer Arbeit unterstützen.

Mit der Kategorie ‚prekäre Lebenslagen‘ rückt die Pädagogik bei Lernbeeinträchtigungen ein Merkmal in das Zentrum ihres Selbstverständnisses, das zwar pädagogische Implikationen hat, das aber zugleich auch politischer Natur ist und insofern auch nach politischer Bearbeitung der gesellschaftlichen Verhältnisse verlangt.

„Eine Pädagogik im Förderschwerpunkt Lernen, die sich der bestmöglichen Förderung ihrer Klientel verpflichtet fühlt und sich zugleich darüber im Klaren ist, dass ihre Pädagogik Politik nicht ersetzen kann, ist deshalb auch autorisiert, diejenigen politischen Verhältnisse zu problematisieren, die prekäre Lebenslagen und damit auch Beeinträchtigungen des Lernens bedingen“, betont Merl.

Der Erziehungswissenschaftler legt auf eine empirisch fundierte Bestimmung der Identität des Förderschwerpunkts Lernen wert. Dies gelte insbesondere im Kontext schulischer Inklusion. Es bedürfe deshalb langfristig einer empirisch begründeten, relationalen Bestimmung der Sonderpädagogik im Schwerpunkt Lernen im Verhältnis zu Inklusionspädagogiken, so der Erziehungswissenschaftler weiter.

Er möchte an dieser Bestimmung mitwirken und nimmt dafür eine autorisierungstheoretische Perspektive ein. Sein Erkenntnisinteresse lautet: Wie inszenieren sich Inklusions- und Sonderpädagogik jeweils als legitime pädagogische Praxis? Wofür beanspruchen sie, als exklusiv zuständig autorisiert zu werden?

Sein Ziel ist es, das Ringen um Autorität für eine bestimmte pädagogische Praxis als ein Ringen um die Identität der Inklusions-, Sonder- und Förderpädagogik empirisch in den Blick zu nehmen.

In der Lehre möchte Merl Studierenden dabei helfen, eine systematische Grundlage für ihre zukünftige Praxis als Lehrkräfte zu erwerben. Dabei legt er Wert auf praxisnahe, aber gleichzeitig theoretisch anspruchsvolle Lehrveranstaltungen, die ebenso auf Handlungs- wie auf Reflexionsfähigkeit zielen.

Zur Person

Prof. Dr. Thorsten Merl studierte Soziale Arbeit an der Technischen Hochschule Köln und Erziehungswissenschaften an der Universität zu Köln. Dort promovierte er. Seine Dissertation verfasste er zum Thema „un/genügend fähig. Zur Herstellung von Differenz im Unterricht inklusiver Schulklassen“. Diese ist zu finden unter: https://www.pedocs.de/...opus=16757. Merl vertrat Professuren an der Philipps-Universität Marburg und der RWTH Aachen.