Kinderfreundliche Kommune: Rechtsanspruch ab 2026 stellt Kommunen wie die Stadt Neuwied vor große Herausforderungen – Bürgermeister Peter Jung: „Angebote müssen sinnvoll ineinandergreifen“
Für berufstätige Eltern ist es oft ein großes Problem: In der Kita wird ihr Kind bis zum Nachmittag betreut. Wenn es dann aber eingeschult wird, ist um 12 Uhr der Unterricht aus. Diese Lücke will der Gesetzgeber schließen und hat deshalb einen Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung von Grundschülern eingeführt. Aber 2026 tritt er in Kraft. Die Kommunen stellt das vor große Herausforderungen.
Ganztagsbetreuung kann dabei unterschiedlich umgesetzt werden: durch eine Ganztagsschule, eine Betreuende Grundschule oder einen Hort. In Neuwied haben sich die Verantwortlichen auf den Weg gemacht und eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die Möglichkeiten des Ausbaus prüft und einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, wie bestehende Angebote ausgebaut und qualitativ gute neue Angebote geschaffen werden können.
Fast 100 Kolleginnen und Kollegen aus den städtischen Grundschulen und der Verwaltung holten sich kürzlich wichtige Impulse bei einem Vortrag von Prof. Dr. Ramseger zur „Schule der Zukunft“. Foto: Ulf Steffenfauseweh / Stadt Neuwied
Da die Kapazitäten an den bestehenden Grundschulen und Horten ausgeschöpft sind, gehört dazu auch, dass zusätzliche Räumlichkeiten geschaffen werden müssen. Hier sollen die Schulgemeinschaften von Anfang an in die Planungen einbezogen werden. Um den beteiligten Akteuren dafür eine gemeinsame Wissensbasis anzubieten, hatte das Amt für Schule und Sport, Prof. Dr. Jörg Ramseger für einen Fachvortrag gewonnen. Vor fast 100 interessierten Zuhörern, darunter Schulleitungen und Kollegien der städtischen Grundschulen, den verschiedenen Fachbereichen der Verwaltung sowie Mitgliedern der städtischen Fachausschüsse stellte der Erziehungswissenschaftler das von ihm mitinitiierte und in München und Berlin bereits umgesetzte Konzept der „Lernhäuser“ vor, die vor allem räumlich ganz anders konzipiert sind als klassische Grundschulen. Bürgermeister Peter Jung bedankte sich danach für „viele wichtige Impulse“.
„Als kinderfreundliche Kommune müssen wir gesamtgesellschaftlich noch mehr Geld und Zeit in Bildung investieren. Kinder brauchen gezielte Angebote für gutes Lernen und Unterstützung wie qualifizierte Hausaufgabenhilfe und Sprachförderung. Schulische, außerunterrichtliche und außerschulische Angebote müssen sinnvoll ineinandergreifen, sodass eine neue Lernkultur ermöglicht wird. Rechtskreisübergreifend müssen Schule und Jugendhilfe noch mehr miteinander verzahnt werden“, machte er deutlich.
Dabei ist aber auch klar, dass die Umsetzung nicht einfach wird. Experten wie kommunale Spitzenverbände sehen große Probleme bei der personellen, finanziellen und räumlichen Ausstattung der Ganztagsplätze. Wegen des großen Fachkräftemangels, langen Planungs- und Bauzeiten sowie Engpässen in der Bauwirtschaft erscheint eine flächendeckende Realisierung ab 2026 schwierig. „Gegebenenfalls werden wir hier flexible und praktikable Lösungen brauchen“, erläuterte Bürgermeister Peter Jung, der außerdem darauf hofft, dass das Land die restlichen, vom Bund nicht abgedeckten 30 Prozent zur Finanzierung übernimmt.
Und wie ist aktuell die Situation in Neuwied? In der Stadt gibt es vier Ganztags-Grundschulen in Angebotsform, und an elf Grundschulen können die Eltern die „Betreuende Grundschule“ wählen. Darüber hinaus gibt es etwa 45 Hortplätze.
Wie die Kollegen aus dem Schulamt berichten, ist festzustellen, dass die Nachfrage nach Betreuung in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat. Insbesondere in Engers und Heimbach-Weis besteht heute bereits Bedarf bis 16 Uhr. Initiativen zur Etablierung einer weiteren Ganztagsschule gab es in den vergangenen Jahren jedoch nicht.