vhs-Kurs bietet authentische Einblicke in die Welt des Weinbaus
Im eigenen Weinberg arbeiten und selbst Wein herstellen – für viele Menschen ist das eine regelrechte Traumvorstellung. Die vhs Neuwied und Winzer Martin Sturm machen es bereits seit zwölf Jahren möglich, dass dieser Traum zumindest für die Dauer eines Jahres Wirklichkeit wird: In „Winzer für ein Jahr“, dem vielleicht außergewöhnlichsten Kurs im vielfältigen Angebot der Volkshochschule, können Weininteressierte tief in die Welt des Weinbaus eintauchen.
Vom Rebschnitt,also dem Rückschnitt des Rebholzes im Winter, bis zur Lese mit der Weiterverarbeitung der reifen Trauben im Frühherbst und dem Abfüllen des Kurs-Weines im folgenden Frühjahr sind die Teilnehmenden bei jedem Schritt im Arbeitsalltag eines Winzers hautnah dabei. Und mehr noch: Sie führen alle anfallenden Arbeiten unter fachkundiger Anleitung selbst aus.
Gut oder ungeeignet? Winzer Martin Sturm diskutiert mit einer Kursteilnehmerin über die Qualität der zuvor gelesenen Weintrauben. Foto: Felix Banaski
Man muss flexibel sein
Am Sortiertisch herrscht ein munterer aber geordneter Betrieb – von Hektik keine Spur. In großen Kisten wartet das Lesegut darauf, von den vier Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern, die sich an diesem Montagmorgen auf den Weg zum Weingut Sturm nach Leutesdorf gemacht haben, sortiert zu werden. Warum an einem Montagmorgen? Weil es in diesem Fall nicht anders geht! Die Kurstermine finden zwar fast immer an einem festen Tag und zu festen Zeiten statt, werden jedoch mitunter auch vom Wetter und von der Natur diktiert. Da später noch Regen angekündigt ist und dieser den Trauben in ihrem aktuellen Reifestadium schaden würde, muss heute gelesen werden.
„Man muss wirklich flexibel sein“, stimmen die anwesenden Kursteilnehmer überein. Das wurde aber von Anfang an offen kommuniziert, daher seien sie alle darauf eingestellt gewesen. Sämtliche anderen Termine des Jahres waren vorab bekannt, wobei sich ihre Festsetzung vornehmlich nach den Terminkalendern der Teilnehmenden richtete.
Die aktuelle Aufgabe der Kursteilnehmer – das Sortieren des Leseguts – klingt in der Theorie recht simpel: gute Trauben in eine Kiste und der Ausschuss in eine andere. In der Praxis ist die Angelegenheit aber durchaus komplex, denn: Die Trauben können aus verschiedenen Gründen für die Weiterverarbeitung ungeeignet sein – durch augenscheinliche Beschädigung etwa oder aufgrund von Essigfäule. Ob Trauben gut sind oder nicht, sorgt am Sortiertisch für den meisten Diskussionsstoff unter den Teilnehmenden. Immerhin geht es hier ja auch um ihren Wein, den sie am Ende natürlich mit nach Hause nehmen dürfen – und der die gleichen hohen Qualitätsanforderungen wie die übrigen Weine des Betriebes erfüllen soll.
So müssen sie aussehen: Reife Trauben der Sorte Frühburgunder an der Rebe. Foto: Martin Sturm
Mehr als einfach nur ein Kursangebot
Schon seit 2012 können Weininteressierte in Leutesdorf zu Bio-Winzern auf Zeit werden – zum damaligen Zeitpunkt ein deutschlandweit in dieser Form vermutlich einzigartiges Projekt. Dass gerade Martin Sturm auf diesen Einfall kam, mag auch daran liegen, dass er alles andere als der gewöhnliche Mittelrhein-Winzer ist. Der gelernte Wirtschaftsjournalist ist erst auf Umwegen zum Weinbau gekommen, hat die Winzer-Ausbildung nebenbei und zunächst nur aus persönlichem Interesse absolviert. 2011 gründete er in Leutesdorf sein eigenes Weingut und machte damit sein Hobby zum Beruf. Und wie kam es schon ein Jahr später zum Winzerkurs? „Am Anfang ging es mir auch darum, die eigene Bekanntheit zu steigern“, erklärt Sturm seine ursprüngliche Motivation. „Mittlerweile kennt man uns jedoch in der Region.“
Deshalb hat sich auch die Motivation für den Kurs, den Sturm seit 2013 in Kooperation mit der VHS Neuwied ausrichtet, gewandelt: „Ich möchte die Wertschätzung der Menschen für den Steillagen-Weinbau am Mittelrhein wecken“, erklärt der Winzer. Dieser gilt als gefährdet – die Anbauflächen schrumpfen immer weiter zusammen. Dabei könne hier ganz fantastischer Wein produziert werden. Martin Sturm setzt dabei auf Handarbeit, verzichtet komplett auf künstlichen Dünger ebenso wie Herbizide, und verwendet nur für ökologischen Weinbau zugelassenen Pflanzenschutzmittel.
Das treibt den Arbeitsaufwand und damit auch die Kosten für derartige Weine zwangsläufig nach oben. Seine Kursteilnehmer können aus erster Hand erfahren, wie viel Hingabe und Arbeit in jeder Flasche Wein steckt und entwickeln ein Verständnis dafür, dass ein guter und ökologisch produzierter Wein eben auch seinen Preis hat. Natürlich ist sich Sturm darüber bewusst, dass er allein den Mittelrhein-Weinbau nicht in ein neues Licht rücken kann. Über die mittlerweile rund 400 Absolventen, die seine Kurse seit 2012 besuchten und in ihren Familien, Freundeskreisen oder am Arbeitsplatz davon berichteten, dürfte seine Botschaft dennoch eine beachtliche Zahl an Menschen erreichen.
2025 zum Winzer werden
Die Kooperation mit der Neuwieder vhs und insbesondere die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Bereichsleiterin Lyuba Kluge ist für Martin Sturm, „ein positives Beispiel für eine Volkshochschule, die von Anfang an aufgeschlossen für meine Idee war.“ Inzwischen hat sich daraus eine langjährige, erfolgreiche Kooperation entwickelt: Die Volkshochschule übernimmt den organisatorischen Teil, wie die Anmeldung und die Zahlung der Kursgebühren. Zudem veranstaltet die vhs kostenfreie Infoveranstaltungen, in welchen sich alle Interessierten ein genaues Bild vom Kursablauf machen und Fragen stellen können.
So viel vorweg: Der Kurs teilt sich in zwei Gruppen mit je bis zu 20 Teilnehmenden auf, wobei eine Gruppe die rote Weinsorte Frühburgunder und die andere einen (weißen) Riesling anbaut. Beide Weinberge befinden sich in nahezu flachen Lagen – für die Kursteilnahme wird daher keine außergewöhnliche Fitness benötigt. Über das Jahr verteilt treffen sich die Kursteilnehmer an etwa 12 bis 15 Terminen, die Teilnahmekosten belaufen sich auf 285 Euro. Im Preis enthalten ist der durch den Jahrgang eigens erzeugte Kurswein.
Die nächsten Infoveranstaltungen für den Kurs im kommenden Jahr sind bereits terminiert: Am 12. November stellt Martin Sturm den Winzerkurs um 18 Uhr im Raiffeisen-Saal der vhs, Heddesdorfer Straße 33, persönlich vor. Im Februar gibt es zusätzlich noch einen Online-Termin. Eine Anmeldung für die Infoveranstaltungen, wie für die Interessentenliste für den Winzer-Kurs, ist bereits jetzt auf der vhs-Homepage unter www.vhs-neuwied.de oder telefonisch unter 02631 802-5510 möglich.