Klimaanpassung in der Innenstadt: Bürger bringen Ideen ein
Pflanzen auf dem Dach der Neuwieder Tourist-Information? Den Platz vorm Schlosstheater so gestalten, dass dort Regenwasser zurückgehalten wird und es besser versickern kann? Oder in der Deichstraße für mehr Schatten sorgen? Die Potenziale und Möglichkeiten sind vorhanden, um die Stadt an die bereits jetzt spürbaren Folgen des Klimawandels anzupassen. Nun brachten interessierte Bürgerinnen und Bürger bei einem Workshop im Innenstadtlabor ihre eigenen Ideen und Perspektiven mit ein. Das gemeinsame Ziel: ein Entsiegelungs- und Begrünungskonzept für öffentliche Plätze und Gebäude in der Innenstadt mit entsprechenden baulichen Maßnahmen.
Stadtplaner Axel Brechenser (Mitte) und Landschaftsarchitektin Kerstin Kohl (rechts) erläuterten bei einem Stadtrundgang den Teilnehmenden an unterschiedlichen Stationen – wie hier vorm Heimathaus – welche Maßnahmen in der Innenstadt möglich wären. Foto: Stadt Neuwied/Nadine Schöneberg
Die Herausforderungen sind bekannt. Hitzetage und Tropennächte nehmen zu. Genauso wie Starkregenereignisse. Für Neuwied heißt das in Zahlen: Von 2000 bis 2021 ist die Anzahl der Tage mit mehr als 30 Grad von 4 auf 22 gestiegen. Bei Tropennächten ein ähnliches Bild: 2001 waren es vier Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad gefallen ist. 2021 acht Nächte. Und die Tendenz? Weiter steigend. Verbunden mit den Gefahren für Menschen.
„Es ist also keine Frage, ob die Innenstadt angepasst werden muss. Die Frage lautet: Wie können wir unsere Stadt fit machen für die Veränderungen des Klimas? Und damit gleichzeitig auch die Aufenthaltsqualität im Herzen Neuwieds steigern“, stellt Oberbürgermeister Jan Einig klar. Deshalb erarbeitet das Team des Stadtbauamtes zurzeit gemeinsam mit dem Planungsbüro „Stadt – Land – plus“ im Rahmen des Bundesförderprogrammes „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen für die Neuwieder Innenstadt ein Konzept zur Klimaanpassung. Dessen Schwerpunkt liegt auf dem Entsiegelungs- und Begrünungskonzept mit Maßnahmenvorschlägen für öffentliche Flächen und Gebäude innerhalb des Projektgebietes.
Während die Teilnehmenden am Bürgerworkshop ihre Ideen einbrachten und mögliche Maßnahmen priorisierten, konnten sie auch mit den Experten diskutieren und Fragen stellen. Foto: Stadt Neuwied/Nadine Schöneberg
Was kann verändert werden?
Ob vorhandene Grünflächen klimaökologisch gestalten, Dächer und Fassaden begrünen, Flächen entsiegeln oder Regenwasser sammeln – die Möglichkeiten, wie Klimaanpassung aussehen kann, sind vielfältig. Auch Bewässerungssysteme und Beschattungen zu integrieren oder hellere Materialien zu nutzen, um ein Aufheizen zu vermindern, sind Optionen. Dabei liegt der Fokus zunächst auf sechs öffentlichen Bereichen im Handlungsgebiet: die Deichstraße, die Tourist-Information und das Historische Rathaus sowie die Vorplätze von Schlosstheater, Heimathaus und St. Matthias Kirche.
Für diese konnten die Teilnehmenden des Bürgerworkshops nun im gemeinsamen Austausch mit den Mitarbeitern von Stadtbauamt und Planungsbüro ihre Ideen und Anregungen einbringen. Von den beiden Experten des Planungsbüros Axel Brechenser (Stadtplaner) und Kerstin Kohl (Landschaftsarchitektin) erfuhren sie zuvor noch bei einem gemeinsamen Rundgang durch die Innenstadt und einem anschließenden Vortrag viele wissenswerte Details rund um das Thema Klimaanpassung.
Wie geht es jetzt weiter?
Gemeinsam mit dem Planungsbüro prüft nun das Stadtbauamt die gesammelten Ideen. Dabei wird unter anderem geklärt, inwieweit die Vorschläge umsetzbar sind. Aber auch deren Finanzierbarkeit und zeitliche Umsetzung ist ausschlaggebend. Die Ergebnisse fließen dann in einem detaillierten Maßnahmenkatalog zusammen. Dieser wird voraussichtlich Anfang 2024 vorliegen. Bereits Ende 2025 werden Projekte daraus umgesetzt sein.
Nachmachen erwünscht
Jetzt im ersten Schritt stehen zunächst der öffentliche Raum und öffentliche Gebäude im Vordergrund. „Damit möchten wir auch zeigen, was möglich ist, und hoffen, dass wir viele Eigentümerinnen und Eigentümer inspirieren“, erklärt Stephanie Krings, die gemeinsam mit Alena Linke für das Projekt im Stadtbauamt verantwortlich ist. Im zweiten Schritt werden die privaten Immobilieneigentümer unterstützt. „Denn wir erarbeiten außerdem für alle Gebäude der Innenstadt ein Potenzialkataster“, ergänzt Alena Linke. Dabei werden alle Dachflächen und Fassaden im Fördergebiet im Hinblick auf ihre Eignung für eine Dach- und Fassadenbegrünung geprüft. Auf dieser Basis soll dann auch ein Beratungsangebot vor allem für private Eigentümer geschaffen werden.