600 Millionen Euro für alle Kommunen im Land und auf zwei Jahre verteilt - Landrat Hallerbach wertet Information als irreführend
Kreis Neuwied. „Auf den ersten Blick liest sich die Nachricht von einem 600-Millionen-Sofortprogramm gut, doch beim näheren Hinsehen entpuppt sich das Finanz-Paket dann immer mehr als Scheinpackung“. Was Landrat Achim Hallerbach anspricht, bezieht sich auf jüngste Verlautbarungen zu einer vermeintlich äußerst großzügigen Unterstützung der Landesregierung zugunsten der Kommunen.
Hält die vermeintlich „sehr gute Nachricht für den Kreis Neuwied, von der die SPD-Landtagsabgeordnete Lana Horstmann spricht, denn einer Prüfung durch die Wirklichkeit stand? Zweifel an dem Programm, das dabei hilft, „unsere Kommune zukunftsfest aufzustellen“ und dass der Umsetzung wichtiger Projekte vor Ort „ganz unbürokratisch und nah dran an den Bedürfnissen der Menschen" dienen soll, wie es heißt, sind angebracht.
In der Tat hat die Pressemitteilung der SPD-Landtagsabgeordneten Lana Horstmann Irritationen in der Bevölkerung verursacht, die auch bei Landrat Achim Hallerbach angekommen sind: „Der Landtags-Wahlkampf scheint begonnen zu haben. Im Grunde genommen wird hier zumindest auf den ersten Blick der Eindruck erweckt, dass der Landkreis Neuwied seitens des Landes Rheinland-Pfalz eine finanzielle Unterstützung von 600 Millionen Euro erhält. Hier bedarf es wegen zahlreicher Rückfragen einer Klarstellung“, stellt der Landrat fest.
Gemäß Faktenlage beabsichtigt die Landesregierung, eine Summe von 600 Millionen Euro nämlich allen Kommunen in Rheinland-Pfalz zur Verfügung zu stellen. Diese 600 Millionen verteilen sich allerdings auf zwei Jahre, also auf 2025 und 2026.
Da zwischen dem Land und den Kommunalen Spitzenverbänden noch keine Verteilungsregelungen vereinbart sind, kann momentan nur spekuliert werden, wieviel der 300 Millionen Euro auch im Kreis Neuwied ankommen werden.
Geht man von 50 Prozent der 300 Millionen für die 24 Landkreise in Rheinland-Pfalz aus, könnten im Landkreis Neuwied vielleicht Mittel zwischen 7 oder 9 Millionen ankommen. Wahrscheinlich wird sich die Verteilung an einem Verteilungsschlüssel aus dem Kommunalen Finanzausgleich orientieren. Da dieser Schlüssel aber noch nicht bekannt ist, kann man auch zum jetzigen Zeitpunkt keine genauen Zahlen berechnen.
Der Haushaltsplan 2025 des Landkreises konnte in der Planung zwar noch knapp ausgeglichen gestaltet werden. Allerdings zeigen erste Ist-Zahlen des Jahres 2024 und auch der aktuelle Vollzug des Plans, dass der Haushalt vorrausichtlich ins Negative kippt. Stark gestiegenen Kosten in den Bereichen Bundesteilhabegesetz, Sozialhilfe, Kinder- und Jugendhilfe, Flüchtlingsunterbringung sowie ÖPNV, können schnell ein Haushaltsloch von 8 bis 11 Millionen entstehen lassen. Erst im letzten Jahr musste der Landkreis Neuwied anders als noch ursprünglich geplant über 4,7 Millionen Euro zusätzlich alleine für die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes bereitstellen und aus der Rücklage entnehmen - und dafür gab es auch keinen Ausgleich.
Fakt ist also, dass mit dem Sofortprogramm der Landesregierung keine neuen Projekte auf den Weg gebracht werden können, sondern diese für den Haushaltsausgleich eingesetzt werden müssen. Ansonsten müsste die Kreisumlage, also die finanzielle Beteiligung der Gemeinden und Verbandsgemeinden, erhöht werden.
Dass diese zusätzlichen Finanzmittel in neue Projekte fließen sollen, ist nach Ansicht des Landrats Wunschdenken: „In der Regel sind bei solchen Maßnahmen auch kommunale Eigenanteile einzubringen und genau diese freien Finanzmittel haben die Kommunen nicht mehr. Die Kommunalaufsicht müsste dann bei der nächsten Haushaltsgenehmigung darauf drängen, diese fehlenden Eigenmittel über Anhebung der Steuern vor Ort zu decken oder die Projekte gänzlich zu streichen“, weist Landrat Achim Hallerbach auf das berühmte „Kleingedruckte“ hin. Weitere Steuerhöhungen seien aber nicht mehr vertretbar, denn da entstehe der steuerliche „Erdrosselungseffekt“ bei den Kommunen: „Das Drehen der Schuldenspirale muss dringend unterbrochen werden, nicht das weitere Befeuern.“
An eben diesem Punkt hakt es: Ein solches Sofortprogramm mag auf den ersten Blick lobenswert und auch werbewirksam sein, es ist aber keine nachhaltige Lösung für die permanente, strukturelle Unterfinanzierung der kommunalen Haushalte. „Damit wird nicht die Finanznot der Kommunen gelöst. Es ist mal wieder der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Was wir jetzt dringend brauchen, - und das fordern wir schon seit Jahren und war auch immer die Basis für Finanzklagen gegen das Land -, ist eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen.
Die Basis braucht das notwendige Geld um ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen, wir müssen dringend über Standardanpassungen auf Bundes, Landes und kommunaler Ebene in allen Bereichen reden. Hier brauchen wir eine ehrliche Aufgabenkritik und eine ehrliche Diskussion über das, was wir uns noch leisten können“, betont Landrat Achim Hallerbach.
Selbst die bisherigen, durchaus gut gemeinten, Entschuldungsprogramme des Landes Rheinland-Pfalz, wie KEF und PEK, hätten gezeigt, dass deren Effekte nach kurzer Zeit verpuffen. De Facto haben sie in keiner Weise die strukturellen Finanzprobleme und Ausgabensituationen verändert.
Wenn man sich die Steuerentwicklung, die wirtschaftliche Entwicklung und dann die Ausgaben anschaue, dann erkenne man relativ schnell, dass es ein Ausgabenproblem gebe, dies müsse gelöst werden, bringt der Kreis-Chef das traurige Finanz-Szenario auf den Punkt. „Alles auf Pump und Kredite aufzubauen, gerade im Leistungs- und Konsumbereich, hat fatale Folgen für die nächste Generation. Irgendwann sind auch die letzten Kühe ausgemolken und brechen im Stall zusammen,“ beschreibt der Landrat das Szenario und setzt abschließend die Zahlen ins Verhältnis: In diesem Jahr werde eine Verschuldung der Landkreise, Städte und kreisangehörigen Städte von 1 Milliarde Euro erwartet – ohne die Gemeinden und Verbandsgemeinden! Und dem gegenüber stehen 300 Millionen Euro in 2025.
„Ich glaube, alleine diese Gegenüberstellung nüchterner Zahlen hat viel Aussagekraft, was die zu erwartende Wirkung dieses Sofortprogramms betrifft“, schließt Landrat Achim Hallerbach seine Einordnung. Die Kommunen haben keine Almosen verdient und müssen aus dem Bettler-Status raus. Das Geld werde in der Kommunalen Familie erarbeitet und müsse auch wieder dorthin zurück.