Das menschliche Gesicht der Gegenseite sehen ist Voraussetzung für den Frieden in Israel und Palästina
Über 100 Interessierte waren zur Veranstaltung mit den Combatants for Peace ins Friedrich-Spee-Haus in Neuwied gekommen, um mit Rotem Levin aus Israel und Osama Iliwat aus Palästina der Frage nachzugehen, ob Friede in Israel und Palästina eine Utopie bleibt oder eine reale Chance erhalten könnte. Eingeladen hatten der Arbeitskreis Palästina der Lokalen Agenda 21 in Stadt und Kreis Neuwied, der Deutsch-Israelische Freundeskreis, der Internationale Christliche Friedensdienst EIRENE, das Ökumenische Begleitprogramm des Ökumenischen Rats der Kirchen in Palästina und Israel, die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Neuwied, die Evangelische Kirchengemeinde Neuwied und für die katholische Kirche der Pastorale Raum Neuwied sowie die Katholische Erwachsenenbildung.
Das Foto zeigt Osama Iliwat (Palästina) und Rotem Levin (Israel) (Foto: Thorsten Klein)
Beide Referenten berichteten zuerst von ihrer persönlichen Lebensgeschichte. Rotem Levin war als Soldat im Westjordanland eingesetzt und musste dort Befehlen gehorchen, die er im Nachhinein als inakzeptabel deutete. So berichtete er, wie er vom Vorgesetzten den Auftrag bekam, eine Granate in einen Vorgarten zu werfen, einfach nur um Schrecken zu verbreiten.
Nach seinem Militärdienst habe er in Deutschland - das war in der Jugendakademie Walberberg - an einer Begegnung mit Palästinensern teilgenommen und deren Sichtweise kennengelernt. Zuvor habe er nie einen tiefgehenden menschlichen Kontakt mit Palästinensern gehabt. Hier habe er erfahren, wie sehr Palästinenser von der Nakba, arabisch Katastrophe, geprägt sind, als 1948 zur Staatsgründung Israels beim Arabisch-israelischen Krieg über 700.000 Palästinenser aus 500 Dörfern vertrieben worden.
Osama Iliwat stammt ursprünglich aus Jerusalem und ist im Alter von 10 Jahren mit seiner Familie nach Jericho gezogen, wo er dann während der ersten Intifada mit Tränengas und gewalttätigen Auseinandersetzungen konfrontiert war. Als 14-Jähriger wollte er etwas für sein Volk tun und sprühte Graffiti-Parolen zur Befreiung Palästinas an Wände. Das israelische Militär fasste den 14-jährigen und steckte ihn für neun Monate als administrativen Gefangenen ins Gefängnis. Nach israelischem Recht können Palästinenser als administrative Gefangene bis zu drei Jahren ohne Gerichtsverhandlung eingesperrt werden. Später wurde Osama Iliwat Polizist in den palästinensischen Autonomiegebieten, wurde aber wieder entlassen, als ein Freund von ihm von der israelischen Polizei Militär getötet wurde und er selber dadurch traumatisiert war. Osama nahm an einem Begegnungstreffen mit jüdischen Friedensaktivisten teil und lernte Israelis von einer anderen Seite kennen. „Meine palästinensische Umgebung hat mich daran gehindert, das Menschliche bei Israelis kennenzulernen“, stellt er im Nachhinein fest. Begegnung ist für beide Referenten der Schlüssel zum Frieden. „Wenn du deinen Schmerz fühlst, bist du lebendig. Wenn du den Schmerz des anderen fühlst, bist du menschlich“, resümiert Osama unter dem Beifall der Zuhörerinnen und Zuhörer.
Beide Völker, Israelis wie Palästinenser, sind traumatisiert. Frieden hat erst dann eine Chance, wenn die Traumata geheilt werden. Das kann geschehen, wenn sie sich gegenseitig zuhören und respektieren und wenn gesellschaftliche Verhältnisse geschaffen werden, die ein gleiches Recht für alle Bewohnerinnen und Bewohner beinhalten. Dafür kämpft die Organisation Combatants for Peace. Sie wird getragen von Menschen auf beiden Seiten, die der Gewalt abgeschworen haben und sich ausschließlich mit gewaltfreien Mitteln für Gerechtigkeit, Frieden und Verständigung in Israel und Palästina einsetzen.
Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Abends waren von diesen Aussagen sichtlich bewegt, und eine Zuhörerin fasste ihren Eindruck so zusammen: „Die beiden Gäste aus Israel und Palästina haben gezeigt, dass man die Hoffnung nicht aufgeben sollte, solange es noch Menschen wie sie gibt.“