Der Landes- und Fraktionsvorsitzende der AfD in unserem Bundesland, Jan Bollinger, erklärte am Wahlabend, die AfD sei jetzt im Osten endgültig Volkspartei und die übrigen Parteien seien aufgefordert, ihre undemokratische Brandmauer aufzugeben.
Laut Wikipedia bezeichnet man in der deutschen Politikwissenschaft als Volkspartei eine Partei, die für Wähler und Mitglieder aller gesellschaftlicher Schichten, Generationen und unterschiedlicher Weltanschauungen im Prinzip offen ist. Dadurch unterscheidet sie sich von anderen Parteitypen wie der Klassen- oder Interessenpartei (Klientelpartei) sowie der Honoratiorenpartei.
Nach Dieter Nohlen, einem deutschen Politikwissenschaftler, ist Volkspartei „eine Selbstbezeichnung von Großparteien wie der SPD, CDU und CSU, die durch Ausweitung ihrer Wählerbasis nach möglichst vielen Stimmen für strategische Mehrheiten streben. Ihre politische Rhetorik und werbende Selbstdarstellung stützt sich dabei auf den Anspruch, schichtübergreifend und weltanschaulich verbindend breite Wählerschichten in sich aufzunehmen und in ihrer Interessenvielfalt ausgleichend vertreten zu wollen.“
Insofern argumentiert der rheinland-pfälzische Landes- und Fraktionsvorsitzende der AfD, Jan Bollinger, letztlich unterkomplex, wenn er zahlenfixiert kundtut, im Osten sei die AfD mit Landesergebnissen jenseits der 30-Prozent-Marke nun endgültig Volkspartei. Früher gab es ja in dieser Partei zwischen den wirtschaftsliberalen, konservativen und nationalistischen Strömungen längere Zeit durchaus ein Kräftegleichgewicht, inzwischen ist jedoch von einer Übermacht der radikalen Vertreter auszugehen.
Der jetzt aus der AfD ausgetretene Ex-Landes- und Fraktionschef Michael Frisch bezeichnet die AfD unseres Bundeslandes als Kaderpartei, in der kritische Stimmen und offener Diskurs nicht mehr erwünscht seien und in der es immer wieder Grenzüberschreitungen nach Rechtsaußen gebe, die nicht konsequent unterbunden würden. Für eine echte Volkspartei ist jedoch die Akzeptanz des demokratischen Verfassungsstaates eine unerlässliche Bedingung. Somit muss sich jede derartige Partei als Teil des Volkes sehen, jedoch nicht als das Volk schlechthin. Das Wort „Partei“ kommt im Übrigen aus dem Lateinischen und bedeutet eben Teil, Richtung oder Seite.
Anders als Jan Bollinger nahelegt, ist die Brandmauer als Anspruch nicht undemokratisch. Tatsächlich muss man der Normalisierung der AfD entschieden entgegentreten, weil die Zeit der bürgerlichen Kräfte in dieser Partei lange vorbei ist. Der frühere rheinland-pfälzische Landes- und Fraktionsvorsitzende Uwe Junge, der im Übrigen auch vom früheren SPD-Oberbürgermeister von Andernach, Achim Hütten, im Grunde als auf dem Boden des Grundgesetzes stehender Demokrat bezeichnet wurde, ist ja schließlich auch nicht ohne Grund aus der AfD ausgetreten.