28. Koblenzer Aids-Covid-Hepatitis-Forum im Kemperhof lud zu komplexen Themen ein
KOBLENZ. Wussten Sie, dass die Impfquote in den ostdeutschen Bundesländern wesentlich besser ist als in den westlichen? „Grundsätzlich lag die Impfquote 2020 in der Bundesrepublik bei 20 bis 54 Prozent“, sagte Prof. Dr. med. Christof Schenkel-Häger beim 28. Koblenzer Aids-Covid-Hepatitis-Forum im Kemperhof. „Impfen ist mit Abstand die wirksamste Maßnahme zur Infektionsbekämpfung! So konnte beispielsweise die Geißel der Menschheit – die Pocken – ausgerottet werden.“ Der Facharzt für Innere Medizin ist Leiter der Abteilung für Hygiene & Infektionsprävention im Marienhaus Klinikum Bendorf-Neuwied-Waldbreitbach. „Andererseits wird aber durch den großen Erfolg der Impfungen das Thema nicht mehr so ernst genommen. Influenza ist beispielsweise eine absolut unterschätzte Gefahr.“ Der Infektiologe ruft allgemein und im Besonderen die im Gesundheitswesen Tätigen dazu auf, sich impfen zu lassen.
Beim gut besuchten 28. Aids-Covid-Hepatitis-Forum im Kemperhof war das Schwerpunktthema Sexualität. Fotos: GK-Mittelrhein/Jutta Münch
Dr. med. Ansgar Rieke hielt nach der Begrüßung durch MdL Josef Winkler, Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit, den Eröffnungsvortrag des traditionellen Aids-Covid-Hepatitis-Forums. Dabei berichtete er stolz, dass Deutschland in diesem Jahr in München der Gastgeber der Welt-Aids-Konferenz mit über 20.000 Teilnehmenden war und vom Bundeskanzler eröffnet wurde. Der Chefarzt der Klinik für Innere Medizin – Nephrologie, Infektiologie im Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein stellte dabei eine dort veröffentlichte und herausragende Studie im Kampf gegen HIV vor: Im Hochinzidenzland Südafrika bekamen junge Frauen das Medikament Lenacapavir zweimal jährlich gespritzt. Während der Studienphase dieses Medikamentes hatte sich niemand mit HIV infiziert – es ist also ein hochwirksames Mittel zur Prävention. Zu sexuellen Lebenswelten und sexueller Gesundheit gab Dr. med. Sven Schellberg Einblicke aus seiner Schwerpunktpraxis in Berlin. Als Allgemeinmediziner schilderte er in einem lebendigen und reich bebilderten Vortrag, wie es in einer vordergründig scheinbaren Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern zugehen kann. Niemand würde dahinter Sexpartys oder den regelmäßigen Besuch von Swingerclubs vermuten. Für ihn war wichtig, dass die Allgemeinmediziner hellhörig sind in Bezug auf sexuell übertragbare Krankheiten.
Chefarzt Dr. med. Ansgar Rieke (links) und Gerhard Wermter vom Gesundheitsamt Neuwied haben zusammen mit der Landeszentrale für Gesundheitsförderung zum 28. Aids-Covid-Hepatitis-Forum in den Kemperhof geladen.
Im Anschluss erläuterte Dr. med. Katja Römer, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Infektiologie, Suchtmedizin aus Köln die Entwicklung bei viraler Hepatitis. Sie schilderte auf „kölsche Art“ und sehr kurzweilig die Therapieziele und belegte, dass Hepatitis heute sehr gut behandelbar ist. Die Weltgesundheitsorganisation hat das Ziel ausgerufen, diese Erkrankung ebenso wie HIV bis 2030 vollständig zu eliminieren.
Am Nachmittag ging es um „Geschlechtliche Vielfalt und Identität“ und mehr Kompetenz im Gesundheitswesen. Die herkömmliche Unterteilung in zwei Geschlechter prägt nach wie vor unsere Gesellschaft und den Alltag. Die Aufklärung über sexuelle Lebenswelten und Entwicklungen spielen auch im Gesundheitswesen eine wichtige Rolle, um allen Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung vorurteilsfrei und respektvoll begegnen zu können. Dazu gaben Dipl. Psych. Bernhard Breuer und Dr. med. Jenny Bischof Anmerkungen und waren gemeinsam mit Noah Dürr (Transmann) und Cami Theisen (Transfrau) Teilnehmende der abschließenden Podiumsdiskussion. Hier berichteten die beiden Trans-Menschen von ihren Erfahrungen. Neben der oft fragwürdigen Wortwahl ihnen gegenüber gebe es beispielsweise auch Schwierigkeiten, bei Arztbesuchen Rezepte und Untersuchungen zu erhalten. „Es ist wichtig, dass sich die Medizin mit der Welt der Transmenschen auseinandersetzt“, appellierte Noah Dürr. Es müsse noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden, um die Vorurteile zu bekämpfen und einfach ganz normal und respektvoll behandelt zu werden, so das Fazit der beiden.
Das jährlich stattfindende Forum wird in Zusammenarbeit mit dem GK-Mittelrhein und der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz veranstaltet. In diesem Jahr waren insgesamt weit mehr als 200 Teilnehmende vor Ort im Kemperhof und online dabei. „Das kann man als Erfolg bezeichnen“, freut sich Dr. med. Ansgar Rieke.