Barcamp bei der HwK Koblenz zu Chancen, Nutzen und Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz
KOBLENZ. Bei diesem Barcamp im Mensa-Neubau der Handwerkskammer (HwK) Koblenz zur Künstlichen Intelligenz (KI) sitzen Programmier-Experten neben der Bäckereibetreiberin, Influencer, Networker, Inhaber von Unternehmensberatungen neben dem Studenten oder IT-Entwickler. KI kann einiges, das wird an diesem Abend bei der HwK mehr als deutlich. Unter anderem bringt sie Menschen zusammen, die vordergründig nicht viel miteinander zu tun haben.
70 Teilnehmer kamen zum Barcamp „KI und ich“, einer Veranstaltung der Universität Koblenz, dem Mittelstand-Digital-Zentrum der HwK Koblenz und weiteren Kooperationspartnern. In drei Runden mit jeweils vier Schwerpunktvorträgen wurde diskutiert, gefachsimpelt und nachgedacht über die Einsatzmöglichkeiten der KI, aber es wurden auch moralisch-ethische Werte der KI als Teil unseres Soziallebens hinterfragt. Und natürlich ging es um den ganz praktischen Nutzen – nicht irgendwo „vom Hörensagen“, sondern ganz konkret, insbesondere im Handwerk. Eine spannende wie abwechslungsreiche Reise durch das Heute und Morgen zu diesem aktuellen Thema.

Das Barcamp mit dem Thema „KI und ich“ füllten 70 Teilnehmer mit Leben und tauschten sich bei der Handwerkskammer Koblenz vier Stunden zu Einsatzmöglichkeiten, Chancen und Entwicklungen der künstlichen Intelligenz aus. / Quelle: HwK Koblenz / Jörg Diester

Roland ist Mathematiker, Thomas IT-Entwickler. Beide wussten vor dem Barcamp nicht, dass sie gleich eine Session vor Publikum gemeinsam gestalten werden. Es ist eine Eigenart dieses Formats: Teilnehmer – alle reden sich beim Vornamen an – stellen sich vor und wer will, bringt sich mit einem Thema für eine Session ein. Verteilt auf drei Runden, ergeben sich für dieses Barcamp ganz schnell und unkompliziert zwölf dieser Sessions. Da Roland und Thomas ähnliche Themen im Umgang mit Chat GPT vorgeschlagen haben, steigen sie zusammen mit gut 15 Barcampern ein in ein anspruchsvolles wie auch sehr spezielles Thema. Es geht um das Programmieren eigener, GPT-generierter Software. Beide haben damit bereits umfangreiche Erfahrungen und wissen, was gut lief und was weniger. „Man sollte sich von Anfang an auf ein Ziel konzentrieren“, weiß Roland, der Mathematiker. „Sonst verzettelt man sich. KI bietet so unfassbar viele Wege und Varianten. Will man irgendwo ankommen, muss man einen Weg konzentriert verfolgen.“ Bei ihm ging es um Plattformen für den Kundenaustausch. Auch wenn er gerade andere Dinge tut, ermöglicht KI ein Online-Kundengespräch, das Roland in Text und Bild führt. Und natürlich sind der richtige Roland und sein GPT-Double anschließend auf dem gleichen Wissensstand. Auch Thomas ist dem Anspruch eines „normalen“ Chat GPT-Nutzer gefühlt Jahre voraus. Wie aus einem Baukastensystem hat er sich virtuelle Intelligenz zur eigenen Arbeitserleichterung und zum Wettbewerbsvorteil zusammengesetzt. „Irgendwann habe ich dann mal die Frage gestellt: Welche Mitbewerber habe ich, was bieten die genau an und was machen sie besser als ich?“ Die Antworten hat er der KI zur weiteren Überarbeitung „anvertraut“ und fertig war eine Strategie, sich selbst nochmals zu verbessern und den Markt besser einzuschätzen.

In ihrer Session erklärten Mathematiker Roland und IT-Entwickler Thomas Möglichkeiten eigener KI-Programmierungen, in denen sie unter anderem Chat GPT nutzen. / Quelle: HwK Koblenz / Jörg Diester

Weniger technisch geht es einen Raum weiter in der Session „Dystopie und KI“ zu. Moralisch-ethische Gedanken werden geäußert, auch die Frage aufgeworfen, wie wir Menschen damit umgehen, wenn die KI Verantwortung in unserem Leben übernimmt. Inka hat das Thema mitgebracht zum Barcamp. Viel tun muss sie nicht in dieser Session, die flott eine Eigendynamik im Gespräch unter den Teilnehmern annimmt. Angst und Misstrauen vor dem Unbekannten sind ein typisch menschliches Phänomen. Also schreibt man der KI Dinge zu, die der Mensch als problematisch empfindet. „Maschinen mit Grips, die sich verselbstständigen und alles platt machen“ ist so eine Angst. Doch bei genauer Betrachtung startet die KI ihre eigene Identität nicht mit Vorgaben, sondern mit dem, was die Menschen von ihr erwarten. Ein Teilnehmer wirft ein, dass der Mensch selbst genügend Schaden anrichtet, seien es Kriege oder Klimakrise. Und trotzdem vertraut er sich selbst mehr, als einer KI … was ja sachlich kaum zu rechtfertigen sei. Schon ziemlich verrückt, diese Zeiten mit künstlicher Intelligenz. Ein anderer Teilnehmer entschärft: Auch hier gelte die Kölsche Philosophie „et hätt noch immer jot jejange“, wenn die KI das repariert, was der Mensch kaputt gemacht habe. Man solle eher die Chancen sehen und nutzen.

Christoph berichtete als Leiter des Mittelstand-Digital-Zentrums der HwK Koblenz in seiner Session über KI-Anwendungen im Handwerk und beschrieb auch das Potential des Datenschatzes vieler Handwerksbetriebe. / Quelle: HwK Koblenz / Jörg Diester

Christoph, der selbsternannte „Servicerebell“ als Leiter des Mittelstand-Digital-Zentrums der HwK Koblenz, berichtet in seiner Session über KI-Anwendungen im Handwerk. Hier wird es praxisorientiert und geht quer durch die Branchen und Regionen. Eine Bäckerei in Hamburg, bei der KI über Daten zu Kunden, deren Kaufgewohnheiten und Einkaufszeiten Informationen sammelt, auswertet und die Warenbestückung organisiert oder die flotte Analyse von Ausschreibungen in der Baubranche, oft 1.000 Seiten stark, für die eine erfahrene Fachkraft drei Tage benötigt, die KI drei Stunden. Auch der Entwurf von Möbeln in einer Tischlerei wird genannt– KI und deren Einsatz im Handwerk sind hier und da längst Alltag. Grundsätzlich steckt ein ungeheures Potential im Duo Handwerk und KI. „Amerikanische Investoren sind an vielen deutschen Handwerksbetrieben interessiert. Nicht nur, weil die gute Arbeit leisten und viele Kunden haben. Es geht um Daten! Das ist ein fast unbezahlbarer Schatz und der Gedanke, den ganzen Handwerksbetrieb samt Daten zu Kunden, Fertigung oder neuen Trends zu kaufen, liegt auf der Hand.“ Der unmittelbare Kontakt zwischen Handwerker und Kunden schließt eine Fülle von Informationen ein, über die der Betrieb verfügt. „Das ist vielen so gar nicht bewusst, aber ein ungeheures Potential“. Christoph zeigt auch laufende Roboter, nennt sie KI-Hunde, die sich anwendungsgenau und flexibel mit Werkzeugen bestücken lassen. Von der Vermessung bis hin zum Löcherbohren oder Verputz- und Anstreicharbeiten ist alles möglich – nicht in der Theorie, sondern längst auf einigen Baustellen. „4.000 Löcher auf den Millimeter genau gebohrt in einem Gebäuderohbau oder das Verputzen, Abschleifen und Anmalen einer riesigen Tiefgarage – das sind ja keine Traumarbeiten und die KI steuert hier selbstständig Maschinen, die das fix und sehr präzise erledigen.“ Selbst beim Entwerfen von Möbeln gibt es bereits Tischlereien, die dem Kunden eine KI-basierte Plattform anbieten. „Der Kunde wird von der KI beraten, geführt und sie setzt seine Ideen um – rund um die Uhr und niemals genervt vom einhundertsten Änderungswunsch.“
Nach vier Stunden KI-Feuerwerk treffen dann alle Teilnehmer des Barcamps wieder zusammen. Große Auswertungen und Zusammenfassungen gibt es hier nicht. Lieber steht man mit einem Imbiss und Feierabendbier zusammen und redet über das Erlebte. Und ganz nebenbei tauschen sich die Bäckereibetreiberin und der IT-Entwickler aus zu einer künftigen Zusammenarbeit … unter anderem. 70 Menschen aus unterschiedlichen Branchen und mit vielen Fähigkeiten und Ideen – das bietet – nicht nur mathematisch – eine Reihe von Kombinationsmöglichkeiten für eine gemeinsame Gestaltung der KI-Zukunft.

Quelle: HwK Koblenz / Jörg Diester