Inklusion als Selbstverständlichkeit: Fünf Menschen mit Behinderung aus der Heinrich-Haus-Werkstatt in St. Katharinen absolvieren ein Praktikum bei der Wirtgen Group.
Wenn Ricardo Akdogan und Burhan Bircan morgens ihre Schicht beginnen, sind sie zwei von vielen. Gemeinsam mit ihren vielen hundert Kolleginnen und Kollegen machen sie sich an die Arbeit – sie sind Teil des Ganzen. Was selbstverständlich scheint, ist für die beiden Männer aus dem Kreis Neuwied etwas, das sie mit Stolz erfüllt. Denn Ricardo Akdogan und Burhan Bircan sind eben doch anders als viele. Sie leben mit einer Behinderung. Seit Jahren arbeiten sie in erster Linie als Werkstattbeschäftigte des Heinrich-Hauses in St. Katharinen. Das Praktikum bei Wirtgen in Windhagen sehen sie als große Chance. Eine Chance auf dem Weg zu mehr Inklusion auf dem Arbeitsmarkt.
Foto: Silvia Knieps
Vorurteile abbauen und Perspektiven schaffen ist das Ziel dieses Austauschs. Ein Ziel, das auch auf bundespolitischer Ebene mehr und mehr forciert wird. Nicht zuletzt der Mangel an Fachkräften in Deutschland führt dazu, dass Unternehmen vorsichtig in den Dialog mit Werkstätten für Menschen mit Behinderung gehen. Gunnar Clemens, Standortleiter des Heinrich-Hauses in St. Katharinen, schaut permanent nach Möglichkeiten des Austauschs mit großen und kleinen Firmen in der Region. „Wir arbeiten seit vielen Jahren mit unterschiedlichen Institutionen und Firmen zusammen. In dieser tollen und einzigartigen Art wie bei Wirtgen haben wir eine Zusammenarbeit, gerade in der Startphase, noch nicht erlebt“, berichtet er.
Seit Mitte Februar sind insgesamt fünf Beschäftigte der Werkstatt jetzt in Windhagen tätig. Hier absolvieren sie ein Außenpraktikum, das ihnen den ersten Arbeitsmarkt näherbringt. Was politisch gewollt ist oder welche Art der Behinderung die „Neuen“ haben, spielt bei den Kolleginnen und Kollegen bei Wirtgen keine Rolle. „Ich habe schnell Freunde gefunden“, sagt Burhan Bircan, und Ricardo Akdogan ergänzt: „Ich werde hier so angenommen wie ich bin.“ Vorurteile oder Berührungsängste haben die beiden nicht erlebt. Die Arbeit bei Wirtgen ist eine große Herausforderung. Die Werkstattbeschäftigten benötigen eine gute Einarbeitung und Kolleginnen und Kollegen, die sie unterstützen. Und Wirtgen macht möglich, wovor viele Firmen noch zurückschrecken. Christoph „Zitsch“ Gasser, Operations Wirtgen GmbH, betont: „Das neue Projekt ist uns eine Herzensangelegenheit, denn wir kooperieren mit dem Heinrich-Haus bereits seit einigen Jahren. Wir haben als Unternehmen auch eine gesellschaftliche Verantwortung, die sich in diesem neuen Projekt als Gewinn für beide Seiten erweist.“
Mehr als 9.000 Mitarbeiter sind zurzeit weltweit bei der Wirtgen Group beschäftigt. In Windhagen im Kreis Neuwied befindet sich die Wirtgen GmbH, im Unternehmensverbund der Spezialist für Kaltfräsen. Die fünf Praktikanten aus St. Katharinen sind in den Bereichen Vormontage, in der Pulverbeschichtung, Lager und Versand und der Metallbearbeitung tätig. Burhan Birchan arbeitet bei der Entgratung an einer Maschine. Dort werden Schweißnähte an Kleinteilen geglättet und gegebenenfalls entfernt. Der 41-jährige legt die Teile auf ein Fließband, das durch die Maschine läuft, und nimmt sie am Ende wieder entgegen. Danach müssen diese Teile nach Vorgabe in verschiedenen Boxen sortiert werden. Ricardo Akdogan ist in der Abteilung der „Vorbereitung Pulverbeschichtung Kleinteile“ tätig. Dort hängt der 24-Jährige die Teile verschiedener Größen an Haken der Pulverbeschichtungsmaschine. Vermeintlich „einfache“ Arbeiten, die die beiden gut meistern.
Mit Thomas Becker und Silvia Knieps haben die beiden auch jederzeit einen Ansprechpartner im Heinrich-Haus. Thomas Becker vom Integrationsmanagement des Heinrich-Hauses und die stellvertretende Standortleitung St. Katharinen, Silvia Knieps, haben das Projekt von Beginn an begleitet und stehen in ständigem Austausch mit den Verantwortlichen bei Wirtgen. Auch unterstützen sie bei den vertraglichen Teilen und beraten die Firmen über weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit.
Ob sich daraus irgendwann mehr als ein Praktikum ergibt? Einer der fünf Praktikanten hat bereits jetzt einen festen Außenarbeitsplatz bekommen. Ein Erfolg ist der Austausch aber für alle Beteiligten – sowohl auf professioneller als auch auf menschlicher Ebene: „Es ist fantastisch, mit welcher Normalität, Professionalität und Freundlichkeit unsere Beschäftigten hier aufgenommen worden sind“, sagt Gunnar Clemens. „Bei Wirtgen wird das Thema Inklusion gelebt und gehört zum Arbeitsalltag dazu.“
Das Heinrich-Haus bietet Unternehmen die Möglichkeit, sich über die Möglichkeiten eines Austausches und einer Zusammenarbeit umfassend zu informieren: Infos gibt es bei Christiane Kahlert und Thomas Becker vom Integrationsfachdienst unter Telefon: 02622 892-4256.