Die Friedensaktivistin Maria Biedrawa berichtet aus Zentralafrika
Wie würde der gerade selig gesprochene Priester Max-Josef Metzger heute Friedensarbeit betreiben? Diese Frage stand über dem Gesprächsabend mit der österreichischen Friedensaktivistin und Therapeutin Maria Biedrawa, die von der Offenen Gemeinde Heilig Kreuz, dem Pastoralen Raum, EIRENE und der Katholischen Erwachsenenbildung im Neuwieder Friedrich Spee-Haus organisiert worden war.
Der Abend begann mit einer kurzen Einführung durch Josef Freise zu Max-Josef Metzger, der von Papst Franziskus am 17. November selig gesprochen worden war. Als deutscher Priester hatte sich Max Josef Metzger gegen die Beteiligung am Zweiten Weltkrieg ausgesprochen und berief sich auf die Bergpredigt Jesu.
Im Jahr 1939 bat er Papst Pius XII., ein ökumenisches Friedenskonzil in Assisi einzuberufen. Sozial engagierte er sich für traumatisierte Menschen, die unter Alkoholproblemen litten und er wurde selbst zum Abstinenzler. Weil er das Leid der Tiere sah, wurde er zum Vegetarier. Er kritisierte den Kapitalismus, setzte sich mit seiner Bewegung Una Sancta für die Ökumene ein und war mit seinen Ideen und Visionen seiner Zeit weit voraus. Als er ein Memorandum für die Zeit nach der von ihm früh vorhergesehenen deutschen Niederlage verfasste, geriet dieses Memorandum in die Hände der Gestapo und er wurde vom berüchtigten Roland Freisler am Volksgerichtshof zum Tode durch das Fallbeil verurteilt. Das Urteil wurde am 17. April 1944 vollstreckt; Max-Josef Metzger ging aufrecht voller Gottesvertrauen in den Tod.
Die in Frankreich lebende Österreicherin Maria Biedrawa leistet jedes Jahr fünf Monate lang Friedensarbeit in der Zentralafrikanischen Republik. Sie berichtete von Friedenszeugen, die in Zentralafrika ebenso heroisch wie ehedem Max Josef Metzger ihr Leben riskieren: Einzelne Priester lassen sich in die von den Rebellen beherrschten hoch gefährlichen Landesteile versetzen und betreiben „Rebellenpastoral“. Diese Regionen, in denen es um die Ausbeutung der Goldminen geht, sind von erschütternder Armut und Arbeitslosigkeit geprägt, die Jugendliche dann in den Alkoholismus oder die Prostitution treiben. Es gibt praktisch keine Schulen. Die Seelsorger bauen mit den Kindern und Jugendlichen Felder an und organisieren parallel und anwendungsorientiert dazu Kurse zum Lesen, Schreiben und Rechnen. Wenn Rebellenfamilien ihre eigenen Kinder nicht zum Unterricht schicken, ist dies oft ein Anzeichen für drohende Anschläge und die Schulleiter schicken die jungen Leute dann nach Hause, um sie zu schützen.
Die russischen Truppen, die die Wagnertruppen nach dem Tod des Anführers Prigoschin abgelöst haben, verkaufen eine eigene Biersorte, die bei den Jugendlichen Sucht, Gewalt und psychotische Schübe auslöst. Die Priester warnen vor diesem Bier. Jugendliche ohne Bildung sind eine leichte Beute für extremistische Gruppe. Es wirkt so, als ob sie Teil der Rüstungsindustrie wären und ihre Armut der Treibstoff sei, der sie in die Arme von Rebellen treibt. Es sei auch zu bedenken, dass die so entstehende Unsicherheit Vorwand wird für eine starke Kontrolle der Zivilgesellschaft. Dabei sei ganz entscheidend zu prüfen, welche Leitbilder die Menschen haben, die in der Gesellschaft Verantwortung tragen: Ist es Besitzgier oder eine Sorge für das Gemeinwohl aller, ist es Streben nach Macht oder der Versuch, die Bergpredigt zu leben?
In ihrer eigenen Tätigkeit fördert Maria Biedrawa auch ein Programm der wachsamen und solidarischen Nachbarschaft über Religionsgrenzen hinweg: Sobald ein Gerücht entsteht, das Feindschaften verstärken und Gewaltaktionen provozieren könnte, treten diese Nachbarschaftsgruppen in Aktion. In regelmäßigen interreligiösen Treffen wurde nach tödlichen Auseinandersetzungen, die Djihadisten begonnen hatten, ein Nichtangriffspakt zwischen den Vierteln beschlossen. Bewegend war eine Pastoraltagung, die sie mitleitete. Es waren 350 religiöse Verantwortliche, Priester, Pastoren und Imame zusammengekommen und auch Rebellenchefs stießen dazu. Nach Tagen der Arbeit zur gewaltfreien Konfliktlösung bat ein Milizenchef um Vergebung für die Gewalttaten durch seine Miliz. Die Bitte wurde angenommen. Die verfeindeten Gruppen hatten erkannt, dass die Gewalt eine Dimension erreicht habe, die niemand mehr kontrollieren konnte. Die Milizen gaben bei den UNO-Truppen ihre Waffen ab. Sie erhielten Felder zum Bebauen und gaben Teile der ersten Ernte an Familien, die durch sie geschädigt worden waren.
Auf eine Begegnung mit Ukrainern in Frankreich angesprochen, berichtete Maria Biedrawa davon, dass ihre ukrainischen Gesprächspartner nur in stärkere militärische Kraft ihre Hoffnung setzten. Russland müsse besiegt werden. Sie selbst habe nur zugehört und sie habe sich einer ideologischen Debatte verweigert. „Vor dem Dialog gibt es die Aufgabe, sich gegenseitig als Menschen wahrzunehmen und wirklich das Leid des Gegenübers zu spüren.“ Erst als sie nach ihren Erfahrungen in Afrika gefragt wurde, habe sie geantwortet: „In Eurem Land gibt es Menschen russischer und ukrainischer Prägung. Wenn der Krieg vorbei ist, dann müsst auch ihr überlegen, wie ihr mit dem Feind leben könnt.“ Die Trägerin des diesjährigen Bremer Friedenspreises schloss ihren Vortrag mit der Ermunterung zu eigenem Handeln: Jeder von uns könne Menschen darin unterstützen, das eigene menschliche Potenzial für Frieden und Versöhnung und gegen die Entwicklung von Feindbildern zu entfalten – das sei das beste Mittel gegen Krieg und Gewalt.