Peter Spork referierte bei der Auftaktveranstaltung eines neuen Forums des GK-Mittelrhein über spannende Erkenntnisse aus der Epigenetik
KOBLENZ. Was ist eigentlich Gesundheit und wie werden wir das, was wir sind? Mit diesen Fragen startete Dr. rer. nat. Peter Spork seinen ebenso unterhaltsamen wie wissenschaftlich fundierten Einblick in die spannende Welt der Epigenetik. Der renommierte Wissenschaftsjournalist und Autor war der Einladung der Teams des Perinatalzentrums Level-1 am Kemperhof um Privatdozent Dr. med. Thomas Nüßlein, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin, Oberarzt Manuel Ohlert und Dr. med. Arno Franzen, Chefarzt der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, gefolgt, um mit seinem Vortrag eine neue Fortbildungsreihe des GK-Mittelrhein zu eröffnen.
Die Experten der Geburtshilfe und Perinatalmedizin wollen mit ihrer Initiative unter dem Motto „Familienstark: Gemeinsam in die Zukunft“ mit aktuellen Impulsen zu vielfältigen Themen rund um die Geburt und das frühe Leben die Vernetzung von allen in diesem Bereich tätigen Berufsgruppen in der Region sowie den Austausch auch mit künftigen und jungen Eltern fördern. Die Initiatoren freuten sich daher sehr, zu der Pilotveranstaltung mehr als 80 Zuhörer im Konferenzzentrum des Kemperhofs begrüßen zu können.
Bei der Epigenetik handelt es sich um eine relativ junge Wissenschaft, die sich mit den Prozessen beschäftigt, die die Aktivität von Genen beeinflussen. Diese Beeinflussung kann durch Umweltfaktoren wie Ernährung, Stress oder Schadstoffe erfolgen und führt dazu, dass bestimmte Gene quasi ein- oder ausgeschaltet werden, wie Spork erklärte.
In der ersten Euphorie erhofften sich Forscher von diesen Erkenntnissen eine Art Fernbedienung für die Gene – und damit den Schlüssel zur Lösung zahlreicher gesundheitlicher Probleme. Die Realität hingegen ist deutlich komplexer – und Angebote wie Epigenetik-Coaching oder -Diäten, die mitunter angepriesen werden, leider unseriös. Dennoch lohnt es sich, sich mit dem Thema differenzierter zu beschäftigen, um relevante Stellschrauben zu identifizieren.
Das Team des Perinatalzentrums Level-1 des Kemperhofs freut sich über den gelungenen Auftakt des neuen Forums „Familienstark: Gemeinsam in die Zukunft“ mit dem Referenten Dr. rer. nat. Peter Spork (4. von rechts). Foto: Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein / Christina Ehricht
Dazu ist es laut Spork zunächst wichtig, Gesundheit nicht als einen punktuellen Zustand oder das Gegenteil von Krankheit zu definieren, sondern als dynamischen Anpassungsprozess, der durch Erbe, Umwelt und Vergangenheit bestimmt wird. Gene bilden eine wichtige Grundlage, doch ihre Aktivität wird durch verschiedene Prozesse (wie die DNA-Methylierung oder Histonmodifikationen) laufend an die jeweiligen Lebensumstände angepasst. Dies erklärt etwa, warum eineiige Zwillinge trotz identischer DNA unterschiedlich altern oder Krankheiten entwickeln können.
Eine wichtige Rolle spielt dabei die perinatale Prägung in den ersten 1.000 Tagen – gerechnet von der Empfängnis bis ins 2. Lebensjahr. In dieser Phase werden epigenetische Grundmuster festgelegt, die lebenslang nachwirken. So beeinflussen Rauchen oder Stress der Eltern sogar vor der Zeugung die epigenetische Ausstattung des Kindes – wobei hier nicht kurze oder einmalige Belastungen gemeint sind, sondern ein dauerhaftes oder massives Ausmaß der jeweiligen Faktoren. Außerdem sind epigenetische Schäden reversibel. Das bedeutet, dass die Zellen durch einen geeigneten Lebensstil auch wieder „umprogrammiert“ werden können. So zeigen Studien, dass eine zuckerreiche Ernährung der Mutter in der Schwangerschaft zwar das Risiko begünstigt, dass das Kind später an Diabetes oder Adipositas erkrankt. Durch ausgewogene Ernährung und Bewegung etc. kann dieser Effekt aber wieder ausgeglichen werden.
Je früher allerdings optimale Bedingungen geschaffen werden – besonders im prägenden 1.000-Tage-Fenster – desto geringer ist der spätere Korrekturaufwand. Dabei betonte Spork, dass es nicht darum gehe, den ohnehin bereits hohen Druck auf Mütter und Familien zu erhöhen, auf was vor, während und nach der Schwangerschaft geachtet werden sollte, was alles zu tun und was unbedingt zu vermeiden sei. Er plädierte stattdessen dafür, die Verantwortung der Gesellschaft stärker in den Fokus zu rücken. „Wir brauchen die strukturelle Unterstützung von Müttern und jungen Familien, wie sie etwa von Ihnen im Perinatalzentrum im Kemperhof oder mit solchen Initiativen wie diesem Forum geleistet wird“, sagte Spork. „Gemeinsam müssen wir optimale Voraussetzungen dafür schaffen, dass Menschen unter den bestmöglichen Bedingungen ins Leben starten können.“
Dieser Aufgabe stellen sich die Experten des Perinatalzentrums Level-1 im Kemperhof gerne – auch mit der Fortsetzung der neuen Veranstaltungsreihe. Weitere Themen und Terminen werden unter www.gk.de und in der Presse bekannt gegeben. Ein besonderer Dank gilt in dem Zusammenhang auch dem Förderverein der Kinderklinik, der die Initiative nicht nur finanziell, sondern auch tatkräftig bei der Durchführung unterstützt.