Das, was sich die CDU/CSU und ihr Kanzlerkandidat Friedrich Merz ausgerechnet am 29. Januar, dem Tag des Holocaust-Gedenkens im Bundestag, geleistet haben, ist in der Tat eine Zäsur für die politische Kultur und das gemeinsame Postulat von Demokratinnen und Demokraten in diesem Land. Merz hat die Büchse der Pandora geöffnet und ich sehe nicht, wie sie sich wieder schließen lassen soll. Er verrät damit leichtfertig die vielbeschworene Gemeinsamkeit der Demokraten und führt die Bundesrepublik zurück in Weimarer Verhältnisse. Auch damals war es die bürgerliche Rechte, die die Machtergreifung eines Adolf Hitler erst möglich gemacht hat. Es ist gut, dass die beiden großen Kirchen in dieser Frage klar Stellung bezogen haben, weil sie aus den Erfahrungen in der Zeit von 1933 bis 1945 die Lehren gezogen haben.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte am gleichen Tag die Parlamentarier noch beschworen, aus der Geschichte die Lehre zu ziehen, doch CDU und CSU scheinen das Gedenken an den Holocaust als Pflichtübung zu betrachten. Jedenfalls kann man das, was von diesen Herrschaften an jenem Tag praktiziert wurde, nur mit Ekel und Abscheu zur Kenntnis nehmen. Ich kenne in meiner Heimatstadt viele CDU-Mitglieder, die auch über das Verhalten von Friedrich Merz schockiert sind. Es wird jetzt darauf ankommen, dass all jene, denen die Demokratie in der Bundesrepublik wirklich etwas bedeutet, Flagge zeigen und auf die Straße gehen. Friedrich Merz hat sich mit seinem Verhalten endgültig als rechter Strukturkonservativer entlarvt und könnte in die Geschichte als Steigbügelhalter der faschistischen AfD eingehen. Ich bin erschüttert und empört und sehe mich an die frühen Anfänge des rechten Totalitarismus zu Beginn der 30-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts erinnert. Wer aus der Geschichte keine Lehren zieht, der ist dazu verurteilt, sie noch einmal zu erleben. Alle Demokratinnen und Demokraten in der Bundesrepublik müssen jetzt reagieren, denn, wie das Beispiel Österreich zeigt, kann es ein ganz schnelles offenes Zusammenarbeiten zwischen der Union und der in weiten Teilen rechtsextremen AfD geben. Hüten wir die Demokratie, bevor es zu spät ist. Die feixende Meute der AfD im Bundestag hat einen Vorgeschmack darauf gegeben, was geschehen würde, sollten sich die derzeitigen Wahlprognosen bestätigen. Kein verantwortungsbewusster Mensch kann sich mehr Gleichgültigkeit oder Desinteresse an der Entwicklung der politischen Machtverhältnisse in Deutschland leisten.