Traditionsveranstaltung der Handwerkskammer Koblenz würdigt 211-fach Lebenswerk mehrerer Meistergenerationen
KOBLENZ. 105 Altmeister wurden bei der ersten Feier 1962 geehrt. Doppelt so viele, nämlich 211 Meisterbriefe in Gold, Diamant, Eisern und Platin, konnte die Handwerkskammer (HwK) Koblenz in diesem Jahr an Handwerker verleihen, die vor 50, 60, 65 oder 70 Jahren ihre Meisterprüfungen abgelegt haben. Dabei stellte die jüngste Feier gleich mehrere Rekorde auf: Seit der Premiere im Jahr 1962 konnten noch nie mehr als 200 Auszeichnungen übergeben werden, mit Bäckermeister Werner Kaiser war auch der älteste Handwerksmeister dabei, den es in 61 Jahren Altmeisterfeier jemals gab. 103 Jahre ist der rüstige Senior alt, der immer noch regelmäßig sein Brot bäckt und 1946 zu Meisterehren in diesem Handwerk kam. Das liegt 77 Jahre zurück.
HwK-Präsident Kurt Krautscheid konnte 211 Altmeisterinnen und Altmeister zu ihrer Feier im Zentrum für Ernährung und Gesundheit begrüßen. / Foto: Michael Jordan
HwK-Präsident Kurt Krautscheid konnte unter den 211 Jubiläumsmeistern 104 mit dem Goldenen Meisterbrief für 50 Jahre Meisterprüfung im Handwerk begrüßen, außerdem 71 Diamantene für ihr 60-jähriges Meisterjubiläum. Den Eisernen Meisterbrief für 65 Jahre Meisterehren ging an 23 Jubilare „und sage und schreibe für 70 Jahre Meisterprüfung im Handwerk können wir dieses Jahr 12 Platin-Meisterbriefe verleihen. Auch das gab es noch nie und es zeigt, dass das Handwerk ganz offensichtlich fit hält.“
Gute Stimmung und viel Erfahrung: Die insgesamt 211 Meisterjubilare brachten exakt 12.565 Jahre Meistererfahrung mit zur Meisterfeier der Handwerkskammer Koblenz. / Foto: Michael Jordan
„Jungspund“ unter den Platinmeistern ist mit 92 Jahren Schreinermeister Franz Josef Limbach und „unsere 12 Jubilare dieser außergewöhnlichen Kategorie bringen zusammen 1.138 Lebensjahre und rund 840 Jahre Handwerks-Meisterschaft mit zu unserer Feier – ebenfalls ein Rekord!“, so Krautscheid. Handwerksmeister aus 34 unterschiedlichen Berufen erhielten Auszeichnungen, wobei die Elektroinstallateure und Kfz-Mechaniker an der Spitze lagen. Doch selbst heute eher exotische Gewerke wie Buchdrucker oder Fernmeldetechniker waren dabei. „Das steht für die Vielfältigkeit des Handwerks, aber auch technischen Fortschritt. Viele Berufe von damals haben sich weiterentwickelt und ihr Aufgabenprofil hat sich stark verändert, was Zusammenlegungen und Umbenennungen einschließt. Auf der anderen Seite gibt es Klassiker, die offenbar nichts verloren haben an ihrer Attraktivität, so die Tischler, Dachdecker oder eben die Top-Berufe des Kfz-Handwerks und der Elektroinstallation“.
Foto: Michael Jordan
In einer kurzweiligen Altmeisterfeier, die aufgrund der starken Resonanz auf zwei Tage verteilt war, ging es auf Zeitreise durch die Jahre und Jahrzehnte. Wesentliche Ereignisse der Meisterabschlussjahre wurden aufgegriffen und in Erinnerung gerufen. Doch auch die Jubilare selbst brachten Erlebnisse mit, die untrennbar mit der Meisterprüfung verbunden sind. So in einem Kurzfilm, der drei Altmeister in betrieblichem und familiärem Umfeld vorstellte, darunter Bäckermeister Werner Kaiser. Als eines von acht Kindern kam er 1920 zur Welt und wurde nach der Bäckerausbildung zur Wehrmacht eingezogen. Im zweiten Weltkrieg geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft, der er nach seiner Rückkehr ins heimische Ruhrgebiet 1946 die Meisterprüfung folgen ließ. Einem Studium zum Berufsschullehrer schloss sich der Umzug nach Boppard an, wo er ab 1953 an der Gewerbeschule für die pädagogische Ausbildung der Bäcker, Konditoren, Fachverkäufer, Köche und Kellner zuständig war. Im Sekretariat arbeitete seine spätere Ehefrau, mit der eine Familie gründete. Hier lebt der 103-Jährige mit seiner Frau im 1956 bezogenen Haus noch immer und bäckt einmal pro Woche noch sein Brot.
Traditionell überreichte der Kammerpräsident jeden Jubiläumsmeisterbrief persönlich am Platz der Altmeister – auch eine Hommage an die Leistungen, die hinter jedem Meister-Lebenswerk steht.
Foto: Michael Jordan
Für gute Unterhaltung und eine kulturelle Bereicherung sorgten mit ihrer Kowelenzer Mundart die Gesangseinlagen der „Schängelmaries“ sowie die 15-jährige Leyla Karim. Die junge Musikerin ist insbesondere in den sozialen Medien mit Tausenden Aufrufen sehr erfolgreich und konnte mit ihrem Gesang auch die Gäste der Altmeisterfeier beeindrucken.
Durch die Veranstaltung führte HwK-Mitarbeiterin Eva Vogt.
Fotos von der Altmeisterfeier sind ab 6. November 2023 im Internet eingestellt:
www.hwk-koblenz.de/fotos
Foto: Michael Jordan
Bäckermeister Werner Kaiser ist 103 Jahre alt
Bopparder legte vor 77 Jahren seine Meisterprüfung ab
„Ich wurde 1920 als eines von acht Kindern geboren. Zwei meiner älteren Geschwister waren bereits in der Tischlerausbildung, zwei hatten die Eltern ans Gymnasium geschickt und bei mir wusste man wohl nicht so recht, wohin mit ihm“, erzählt Werner Kaiser aus seiner Lebensgeschichte. Wie er genau zum Bäckerhandwerk kam? „Das weiß ich gar nicht mehr. Vielleicht lag es an den vielen Süßigkeiten und dem leckeren Geruch. Jedenfalls ging ich mit 14 nach Schmallenberg im Sauerland und wurde Bäcker.“
Bäckermeister Werner Kaiser aus Boppard ist der älteste Altmeister in der 61-jährigen Geschichte dieser Veranstaltung. Der rüstige Senior ist sagenhafte 103 Jahre alt und bäckt noch immer regelmäßig sein Brot – im Bild bei der Übergabe seines Platin-Meisterbriefes durch HwK-Präsident Kurt Krautscheid (links). / Foto: Michael Jordan
Der dreijährigen Ausbildung schließt sich die Arbeit in einer Dortmunder Bäckerei an, bevor Werner Kaiser zur Wehrmacht eingezogen wird. Der zweite Weltkrieg hinterlässt auch in dieser Biografie markante Spuren. Einsätze an der Ost- wie auch an der Westfront, Kriegsgefangenschaft in den USA, Heimkehr zur Familie 1946. Dann erfährt er, dass es bereits im gleichen Jahr einen Meisterkurs geben soll. „In den USA hatte man mir den Betrieb einer Farm angeboten und ich musste mich entscheiden, wie es weiter geht.“ Kaiser bleibt und wird Bäckermeister. Einige Jahre arbeitet er in einem Familienbetrieb mit, dann bewirbt er sich für ein Studium zum Berufsschullehrer in Solingen – und wird angenommen. Werner Kaiser geht seinen Weg, Schritt für Schritt. Nach dem Abschluss wird er nach Boppard am Rhein versetzt und soll als Pädagoge in der dortigen Gewerbeschule alle Jugendlichen der Nahrungsmittelbranche ausbilden: Bäcker, Konditoren, Köche, Kellner und Fachverkäufer. „Im Büro der Schule arbeitete meine Ehefrau. Damals war sie es noch nicht, aber ich wusste sofort Bescheid“, erzählt Werner Kaiser mit einem Zwinkern. Zwei Jahre später wird geheiratet, ein Haus in den Rheinhängen gebaut, Kinder kommen auf die Welt.
In dem Haus von damals lebt das Ehepaar Kaiser noch immer. Im Keller hat Werner Kaiser seinen Arbeitsbereich: eine Mühle und zwei Säcke Getreide. Einmal wöchentlich wird hier gebacken. Was er als eine wichtige Säule seines Lebens und auch seines Alters sieht. Das Handwerk hat ihn geprägt und fit gehalten. Wie auch eine enge Verbundenheit mit der Natur. Reisen mit dem Flugzeug? „Hat es nie gegeben. Lieber bleibe ich mit beiden Beinen auf dem Boden. Meine Frau und ich sind Fahrrad gefahren und haben Urlaub in Deutschland gemacht.“ Und der 103-Jährige macht sich so seine Gedanken zum Umgang mit der Umwelt. „Parteien gibt es ja genug und auch Demonstrationen. Doch es kommt auf jeden Einzelnen an, sich entsprechend zu verhalten. Ich wünsche mir mehr Heimatgefühl und ein einfaches Leben im Einklang mit der Natur.“ Seines war und ist darauf abgestimmt und nicht von Luxus geprägt. Vielleicht ist es gerade deshalb so lang – und auch so glücklich.