Eine der bekanntesten Geschichten von Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse, ist die Geschichte vom kleinen Hans, der eine Phobie vor Pferden entwickelte und sich fürchtete, von ihnen gebissen zu werden. Freud interpretierte das Pferd als den Vater des Jungen, vor dem der kleine Hans eine übermäßige Furcht hatte. Wenn die AfD-Politiker Jan Bollinger und Sebastian Münzenmaier eine Klage wegen Verletzung des Neutralitätsgebots ankündigen, weil die Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu einer Demonstration gegen die AfD aufgerufen hat und dabei das Portal der Mainzer Staatskanzlei genutzt hat, ist die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin durchaus mit dem Pferd des kleinen Hans vergleichbar.
Übermäßige Furcht auslösend ist in Wirklichkeit ja die Zivilgesellschaft, weil das Treffen in Potsdam immerhin den positiven Effekt hat, dass, wie die Teilnehmendenzahlen bei den inzwischen kaum zählbaren Demonstrationen zeigen, besonders vielen Menschen klar wurde, wie sehr die AfD unserem Land einen Totalschaden zufügen könnte. Dieser sich durch einen gesunden Pessimismus auszeichnende breite öffentliche Konsens ist besser geeignet, der AfD Grenzen aufzuzeigen, als die Diskussion über ein Parteiverbot, was dieser Partei lediglich die Möglichkeit böte, sich in der Opferrolle zu inszenieren. Bollinger und Münzenmaier sind klug genug, um zu wissen, dass die Tatsache, dass die durch das Potsdamer Treffen aufgerüttelte Zivilgesellschaft jetzt in einer überwältigen Weise motiviert ist, der AfD zu trotzen, für diese Partei gefährlicher ist als der Aufruf des „Pferdes“ Malu Dreyer, der angesichts der vielen, die sich jetzt sowieso bewegen, nach Lage der Dinge eine vergleichsweise geringe und damit zu vernachlässigende Bedeutung hat. Insofern hat die „Pferdephobie“ der beiden Politiker auch eine erheiternde und erbauliche Seite.