Dass Conrad Lunar als Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters versichert, dass er in diesem Amt alles tun werde, damit sich die Verfolgung von Minderheiten aus rassischen oder religiösen Motiven nie mehr wiederholen werde, finde ich als ebenfalls bei der Eröffnung der Ausstellung „Engers und die NS-Zeit“ nicht nur Anwesender, sondern auch angesichts der Tatsache, dass ich diese Ausstellung nachdenklich anschaute, gewagt, großkotzig und überheblich. Schon unter „normalen“ Umständen ist die Prognose menschlichen Verhaltens im Einzelfall nicht einfach.
Vorherzusagen, wie der Einzelne sich in einer (politischen) Extremsituation verhalten würde, ist so sinnvoll wie die Prophezeiungen von „Wahrsagern“ am Ende eines Jahres für das kommende, die in der Regel falsch sind. Ich erinnere nur an den satirischen österreichischen Stummfilm „Die Stadt ohne Juden“ aus dem Jahr 1924. Einer der Schauspieler des Films ist Hans Moser, der mit einer Jüdin verheiratet war und sich gegen die staatlich angeordnete Scheidung nach dem "Anschluss" Österreichs durch die Nazis 1938 wehrte. Der Schauspieler bat Hitler persönlich mit Erfolg um eine Ausnahme. Seine Frau konnte nach Ungarn emigrieren und nach dem Krieg waren sie wieder zusammen. Im Film ist Hans Moser aber als antisemitischer Rat zu sehen. Johannes Riemann spielte hingegen im Film den Gegenspieler des von Hans Moser dargestellten antisemitischen Rats. Im wirklichen Leben wurde er indes Mitglied der NSDAP und trat im Zweiten Weltkrieg im besetzten Polen Ende März 1944 im Rahmen einer Truppenbetreuungsveranstaltung für KZ-Personal bei einem bunten Abend im KZ Auschwitz auf. Dieses Beispiel mag genügen, um nahezulegen, auf die Ausstellung „Engers und die NS-Zeit“ besser mit Demut als mit Selbstüberschätzung zu reagieren.